die Steinschleuder

Eine "Bewegung zur Bewegung"

Nachdem die Jugendtagung „Einsam-Gemeinsam“ mit über 1.000 Teilnehmenden aus aller Welt an der Rudolf-Steiner-Schule in Bochum zu ende gegangen war, gründete das jugendliche Organisationsteam 1992 die „Steinschleuder – Bewegung zur Bewegung“. Den Anlass dafür lieferte die Begegnung mit Valentin Bjelokon, jenem Arzt, der 1986 in der Nacht des Super-GAU in Tschernobyl Dienst getan hatte. Seine Initiative zur Einrichtung einer Krankenstation für an Krebs erkrankte Kinder unterstützten die Jugendlichen als erstes. Und seitdem sie die Krankenstation in der Ukraine im Jahr 1994 fertiggestellt hatten, folgten bis heute zahlreiche weitere Projekte in aller Welt.

 

Am Anfang nahmen die Dinge meistens überraschend ihren Verlauf. Die Initiative der jungen Leute stieß von Beginn an auf ein unerwartetes öffentliches Echo. Die Hilfsbereitschaft und der Wille, die „Steinschleuder“ zu unterstützen waren enorm. Mit der zunehmenden Popularität wuchsen die Aufgaben, und die grundsätzliche Erfahrung stellte sich ein, dass sich nicht nur das Reifen einer Initiative, sondern auch eine gute persönliche Entwicklung an derartigen Herausforderungen ereignet.

 

Das von Valentin Bjelokon getragene Projekt in der Ukraine leitete exemplarisch zu einer besonderen Auseinandersetzung mit der aktuellen Zeitgeschichte und ihren Folgen. Der Super-GAU im Atomkraftwerk hatte die Welt erschüttert und viele Menschen wach gerüttelt. Der Frage danach, wie sich Menschenwerk und Natur miteinander verbinden lassen, und welche Grenzen darin möglicherweise zu beachten sind, kann sich seither niemand mehr entziehen. In der Ukraine waren damals die allgemein verfügbaren Mittel und Möglichkeiten zur Problembewältigung nicht weit genug entwickelt. Es wurde improvisiert. Was an Problemen auf direktem Wege nicht zu lösen war, wurde kreativ angegangen. Davon betroffen waren praktisch alle Lebensbereiche. Der Alltag vor Ort war zu einem gewaltigen Lern- und Erfahrungsfeld geworden, was sich mit dem Interesse der Aktivisten_innen der „Steinschleuder“ sehr gut verbinden ließ.


Entwickelnde Zusammenarbeit

Für die „Steinschleuder“ ist das Motiv der gegenseitigen Entwicklung aller Beteiligten zentrales Anliegen. Der Friedensforscher Johann Galtung, dem die Gründer_innen der Initiative seinerzeit begegneten, betonte in seiner Beratung diesen Aspekt besonders: Die Menschen aus den materiell reichen Ländern werden in ihrem Engagement in Armutsregionen zu Lernenden mit einer ganz besonderen Chance.

 

Wie lassen sich unter widrigen Bedingungen die medizinische Versorgung, Ernährung, Baumaßnahmen, Schulen, Zugang zu Trinkwasser usw. organisieren? Menschen, die in ihrem Alltag existenziell tagtäglich mit diesen Fragen konfrontiert sind, entwickeln ein wertvolles, praktisches Erfahrungswissen. Da die offenkundige Entwicklung global auf Szenarien zusteuert, die die gegenwärtigen Probleme der Einen bald zu solchen der gesamten, globalen Menschengemeinschaft machen könnten, verdienen die Lösungsansätze von Heute jene besondere Aufmerksamkeit, um die sich die „Steinschleuder“ von Beginn an bemüht. Dies macht latente Fragen und Bedürfnisse junger Menschen bewusst.

 

In der Entwicklungszusammenarbeit, wie sie in der „Steinschleuder“ von Beginn an verstanden wird, sind die jugendlichen Aktivisten_innen also allenfalls in zweiter Linie Helfende. Primär entscheidend ist, dass es um eine Entwicklung geht, die alle Beteiligten betrifft. Die Arbeitsbereiche werden darin zu Lernfeldern. Die Begegnung aller Beteiligten ereignet sich symmetrisch, was Selbstermächtigung bewirkt und stärkt, wo sonst „Gebende“ die „Nehmenden“ dominieren.