Zivildienst auf der "La Choza"

Im Anschluß an das Baucamp 1998 des Steinschleuder e.V. begann für Jonas Klee, Marcel Botthof, Martin Old und mich der Zivildienst auf der "La Choza“ in Argentinien. Dies ist ein biologisch-dynamisch bewirtschafteter Hof mit 132 ha. Dieser befindet sich ca. 60km im Nordosten von Buenos Aires. Dieses ehemalige Landgut eines wichtigen Politikers Argentiniens ist seit 
4 Jahren der Besitz einer Stiftung, deren Motto „Landwirtschaft im Dienste des sozialen Lebens“ lautet. Sowohl in dem 4 ha großen Garten, wie auch in der Käserei arbeiten nicht nur die Mitarbeiter und Zivildienstleistenden, sondern auch unsere Assistidos. Diese, in der Mehrzahl junge Erwachsenen, kommen aus verschiedensten schwierigen Situationen. Einige mit mentalen und psychischen, andere mit sozialen Problemen. Als Zivis und Praktikanten ist es unsere Aufgabe mit ihnen zu arbeiten und mit ihnen zusammen zu leben. Dies geschieht in der Casa larga, einem Haus mit 10 Zimmern. Für die therapeutische Betreuung ist eine Arbeitsgruppe von 5 Menschen verantwortlich, zwei Psychologen, ein Sozialarbeiter und zwei Betreuer.

In den ersten zwei Wochen nach unserer Ankunft haben Jonas und ich an einer Heizung gebaut, die wir in eines der Häuser einbauen. Ein ziemlich nerviges Unterfangen, da das Material nicht das Beste ist und wir uns unserer Werkzeug auf dem Hof zusammensuchen müssen oder gar erst selber bauen müssen. Gestern hatten wir dann ein erstes Erfolgserlebnis, die drei Heizkörper werden warm, wenn man die außen postierte Heizung mit Holz füttert. Nun fehlen nur noch der Warmwassertank und die Installation der Warmwasserleitungen.
Am Mittwoch (8.7.98) werden dann die fünf deutschen Jugendlichen kommen. Wir arbeiten dann zunächst 1 ½  Wochen ohne die argentinischen Jugendlichen, weil die noch Schule haben. Ab dem 19.7.98 sind wir komplett, es kommen 15 ArgentinierInnen. 
 
Kleine Grüppchen begann nun, die schon vorbereiteten Arbeiten auszuführen:
Zu viert errichteten wir in zwei großen Zimmern Wände zur Teilung und setzten die nötigen Türen ein. Andere halfen in der Küche und im Garten. An den Abenden im Abendkreis erzählte uns Claudio die Geschichte des Landgutes und die Idee, die hinter der Fundación „La Choza“ steht. Für die Jugendlichen eine Möglichkeit, sich näher mit dem Ort und dem Leben hier auseinander zu setzen. So verging die erste Woche. Am Wochenende machten wir gemeinsam einen langen Spaziergang in das 8 Km entfernte General Rodriguez. Dort schlenderten wir ein wenig durch die Straßen und zur Mittagszeit gönnten wir uns eine Pizza.
In der zweiten Woche konnten wir die begonnene Wand in der Casa larga fertigstellen. Parallel zum Verputzen dieser ersten Wand begannen zwei Jugendliche in der Casa verde eine alte Holzwand einzureißen, um selbige durch eine steinerne zu ersetzen. Die zweite Woche brachte leider einige, zum Glück nur kleinere, Meinungsverschiedenheiten unter den Jugendlichen mit sich, die aber relativ schnell durch Gespräche geklärt werden konnten.
 Am Sonntagmorgen fuhren wir dann gemeinsam nach Buenos Aires um zunächst an der Menschenweihehandlung teilzunehmen. Nach dieser ereilte uns ein Schreck, der uns noch die folgenden drei Monate beschäftigen sollte: uns wurde während der Weihehandlung der Lieferwagen der „La Choza“ geklaut. Nach einem Besuch auf der Polizeiwache  machten wir dennoch gemeinsam mit den argentinischen Jugendlichen der Christengemeinschaft auf den Weg zu einer Stadtrundfahrt. Wir besichtigten „La Boca“, daß bunte Straßenviertel, San Telmo mit seinem Flohmarkt und die Innenstadt von Buenos Aires.
Unsere dritte Woche auf der „La Choza“ war für die meisten ein interessantes und schönes Erlebnis. Zusammen mit den hiesigen Jugendlichen konnten wir insgesamt vier Wände mauern und verputzen, außerdem wurden die Küche, die Bäder, der Flur und zwei Zimmer in der Casa larga gestrichen. Des weiteren wurden im Kuhstall einige kleinere Arbeiten durchgeführt und kontinuierlich im Garten und der Küche mitgearbeitet. Für meine Begriffe eine recht ansehnliche Menge Arbeit, die wir mit relativ wenigen Leuten bewältigt haben.
In der vierten Woche machten wir unsere kleine geplante Reise in den Süden. Von Buenos Aires fuhren wir 10 Stunden mit einem Zug, der eine ganze Menge Ähnlichkeiten mit den Zügen in der Ukraine hatte. Zwar gepolsterte aber trotzdem sehr unbequeme Sitze, kaum Licht ( und wenn nur während der Fahrt, beim Ein- und Aussteigen war es stockdunkel) und undichte Fenster. Am Abend um 21 Uhr losgefahren kamen wir um 7 Uhr in Sierra de la Ventana (=Bergkette des Fensters) an. Dieses kleine Dorf liegt 100 km nördlich von Bahia blanca im Süden der Provinz von Buenos Aires.
Nachdem wir uns in unseren Zelten etwas eingerichtet hatten, machten wir einen ersten kleinen Spaziergang in den benachbarten Naturschutzpark. Am nächsten Tag brachten wir eine 5 stündige Wanderung hinter uns, für deren Ziel sich die Anstrengen des Berg-an-steigens wirklich gelohnt haben. Oben auf dem Cierro de la Ventana (=Berg des Fensters) bot sich uns eine wunderschöne Aussicht. Durch das Fenster konnte man in das von der Sonne erhellt Tal blicken und über einem strahlte ein klarer blauer Himmel.
Unsere zweite Wanderung am nächsten Tag  führte uns in eine Schlucht mit zwei Wasserfällen, die leider wegen Wassermangel zu kleinen Rinnsalen geschrumpft waren. Nichts desto trotz hat sich auch dieser ausgiebige Spaziergang durch den Park gelohnt. Eineinhalb Tage verbrachten wir dann noch im Dorf Sierra del la Ventana, bevor wir mit dem Zug nach Buenos Aires zurückkehrten. 
Wieder zurück, verbrachten die deutschen Jugendlichen noch zwei Tage bei den Argentiniern. Am 3. August flogen drei auf direktem Weg nach Hause, zwei verbrachten noch einige weitere Tage in Buenos Aires. Auch wenn wir nur so wenige Teilnehmer waren, so war es doch ein gelungenes Abschlußbaucamp hier in Argentinien.
 
Im Anschluß an das Baucamp begann für Jonas Klee, Marcel Botthof, Martin Old und mich der Zivildienst erst richtig. Wir begannen in den einzelnen (Produktions-) Bereichen unsere Arbeit aufzunehmen. Martin arbeitet seit diesem Zeitpunkt in der Käserei und hilft bei dem Verkauf ab Hof. Jonas hat die letzten drei Monate im Gemüsegarten verbracht und wird jetzt mit allgemeinen Reparaturarbeiten auf dem Hof fortfahren. Marcel hat gemeinsam mit mir in der Konstruktion der Zimmer in der Casa larga gearbeitet und hat vor einer Woche in den Garten gewechselt. Ich werde jetzt mit Jonas an der allgemeinen Erhaltung und Reparatur von Maschinen und Hof arbeiten. Außerdem liefere ich einmal in der Woche die Bestellungen nach Buenos Aires.
Seit drei Wochen wohnen wir vier mit 2 Praktikanten, 2 Assistidos und 3 Mitarbeitern in unseren Zimmern in der Casa larga. Wer das Haus von früher kennt, würde es nicht wiedererkennen. Nicht nur die baulichen Maßnahmen haben dem ehemals unansehnlichen Haus ein neues Gesicht gegeben, sonder auch einige kleine Blumenbeete an den Eingängen und die regelmäßige Reinigung tragen viel dazu bei, sich hier Zuhause zu fühlen. 
Neben den oben genannten Arbeiten werden wir eine neue Küche mit Eßsaal und Bäckerei in Angriff nehmen. Sie wird sowohl der Hofgemeinschaft, wie auch den Kinderlagern der Christengemeinschaft und sonstigen Zusammenkünften dienen. Für diese Aufgabe hat die „La Choza“ Spenden aus England und Deutschland bekommen, die hoffentlich zu mindestens für die eigentliche Küche reichen wird. Der Eßraum und die Bäckerei sollen später folgen.
 
Mit der Zeit änderten sich unsere Aufgaben, Marcel wechselte nach der Zeit im Garten in die Tierpflege und arbeitet so mit dem angestellten Gaucho auf dem Land. Martin verbrachte nach einem halben Jahr Käserei seine weiter Zeit im Garten und hatte zweimal wöchentlich eine Gruppe Kinder aus dem benachbarten Viertel, mit welchen er Geländespiel und weitere Aktivitäten unternahm.
Jonas arbeitete oft mit Marcelo in der Schreinerei, schnitt mit der Motorsäge Brennholz und half neben dem morgendlichen Stall auch beim Schlachten. Ich wurde Mitverantwortlich für den wöchentlichen Reparto, die Auslieferung der Produkte nach Buenos Aires. 
In den verschiedenen Waldorfschulen werden die Lädchen beliefert, ansonsten einige kleinere Zwischenhändler und die Christengemeinschaft. Hier geben die Leute einmal in der Woche ihre Bestellungen ab und holen Dienstags die bestellten Produkte ab; Käse, Joghurt, Quark, Ricotta, Trinkjoghurt und Gemüse.
Und seit meiner Rückkehr von einem kurzen Aufenthalt in Deutschland liegt nun die Käserei in meiner Verantwortung, für mich ein völlig neuer Arbeitsbereich. In der vorherigen Zeit habe ich mit meiner Tätigkeit im Kuhstall beim Melken die Milch geliefert und am Ende der Herstellung die Produkte verteilt. Nun schließt sich diese Lücke; denn nach dem morgendlichen Melken lerne ich nun auch die Herstellung der verschiedenen Produkte. Bis auf den Garten habe ich somit alle anderen Bereiche des Hofes ausgiebig kennengelernt; kenne die insgesamt ca. 60 Milchkühe beim Namen, habe gelernt Käse, Joghurt usw. zumachen. 
 
Für uns vier waren diese 15 Monate eine anstrengende Zeit, die uns viele Erfahrungen in den Bereichen der Arbeit und im Sozialen gebracht hat. Nichts desto trotz hatten wir viel Spaß und es sind wirkliche Freundschaften mit den anderen Bewohnern des Hofes entstanden.
 
Zum Abschluß möchte ich mich persönlich noch ganz herzlich bei unseren Spendern bedanken, die nicht nur der „La Choza“ eine unglaubliche Hilfe waren und sind, sondern auch uns durch ihre Spenden den Ausbau der Zimmer in der Casa larga und Casa verde ermöglicht haben. Vielen, vielen Dank.
 
Benedikt Wilhelm