Maruja

18. Juli 1998. Marujá. Ilha do Cardoso. Südatlantikküste Brasiliens.  Beim  ,,Centro Communitario" des Fischerdorfes bückt sich Tabea und öffnet ein Schieberventil. Mit 28 m WS spritzt Wasser aus einem Rohrstutzen. Demonstration für die kleine Menschenmenge im Halbkreis. Fotoapparate, Hochrufe, Händeschütteln.

Ein Projekt ist abgeschlossen, das Ende 1994 seinen Anfang nahm. In den nahen Bergen des staatlichen Naturschutzparks ist in 40 m über NN aus Natursteinen ein  kleines Staubecken gebaut worden, und eine 6 km lange 3 Zoll- Rohrleitung  bringt frisches Quellwasser  zu  den  32 Fischerfamilien, deren Vorfahren seit 400 Jahren auf der Insel leben.
1985 wurden zum ersten Mal CoIi- Bakterien in dem Dorfbrunnen registriert. Infiltration durch den Sandboden. Überlastung der Sickergruben durch zunehmenden Tourismus, weil die Fischgründe  durch  industrielle Schleppnetzfischerei leer gefischt worden sind und die Fischer sich nicht mehr nur vom Fischfang ernähren können... Seuchengefahr? Eine Wasserleitung müßte gelegt werden. An Ideen fehlt es nicht. Aber die Gemeinde hat kein Geld für solche Ausgaben. Auch  nicht  der  Staat. Außerdem ist die politische Situation  kompliziert:  Ein Naturschutzpark (seit 1962) ohne interne Regelung, aber mit Grundstücksspekulanten von der harten Sorte.
So stand es, als ich im Dezember `94 Peter Krause und Sebastian Nahrwold von der Steinschleuder kennen lernte, die nach Brasilien gekommen waren. Sie wollten sinnvoll helfen und hatten beim  Krankenhausbau  in Tschernobyl Erfahrung gesammelt. Damit und mit dem ausdrücklichen Vorsatz, sich nicht unterkriegen zu lassen, ist - zusammen mit den Fischern von Marujá - in knapp vier Jahren die Wasserleitung gebaut worden.
Persönliches  Engagement, Humor  anstatt  enttäuscht sein, der Wille zum Weitermachen  wenn's  schwierig wird, der Glaube an einen Sinn in dem Ganzen sind, meine ich, die Qualitäten, die das Projekt zum Gelingen gebracht haben. In dieser Zeit sind wir Freunde geworden, die Leute von der Steinschleuder und ich.

Karl Beitler, verantwortlich für die Organisation des Baucamps auf der llha do Cardoso, lebt seit 27 Jahren in Brasilien.